„Niemals sehen wir auf der Erde weiter und klarer, als wenn wir unsere Augen hinaus in den Nachthimmel richten." Es sind Blicke, die de facto nicht enden. Ein Faszinosum, das Günther Wuchterl Zeit seines Lebens begleitet hat. „Wie die perfekte Welle gibt es auch den perfekten Himmel. Und die Suche danach hört nie auf.“ Um all das rational erklären zu können, studierte Wuchterl Technische Physik und Technische Mathematik an der TU Wien sowie Astronomie, Philosophie und Zoologie an der Universität Wien. „Um zu begreifen, muss man sich zwangsläufig mit gewissen Naturwissenschaften beschäftigen. Es sollte für mich das Universum keine reine Mystik bleiben.“
„Wie die perfekte Welle gibt es auch den perfekten Himmel. Die Suche danach hört nie auf.“
Die Sternenlicht-Oase Großmugl
Sich klar zu werden, mit diesem Wissen auch Gesetzmäßigkeiten selbst gestalten zu können und damit einen Beitrag zu leisten, die Welt besser zu verstehen, war für ihn eine fundamentale Erkenntnis. „Diese Errungenschaften will ich auch teilen und die Begeisterung weitergeben.“ Einen Weg dafür hat er mit dem Sternenweg Großmugl bereits gefunden. Lediglich 40 Autominuten vom Wiener Stadtzentrum entfernt, befindet sich im südlichen Weinviertel mit der Sternenlicht-Oase Großmugl ein Ort, von wo aus der Blick in die Unendlichkeit noch ungetrübt von der steigenden Lichtverschmutzung ist. Grund dafür ist die spezielle Lage. „Südlich liegen die Alpen, die nahe Millionenstadt wird zudem von einigen Bergrücken abgeschirmt, die wie ein natürliches Lichtblockiersystem funktionieren. Zehn Kilometer weiter westlich von hier ist der Zauber bereits wieder vorbei.“
„Wenn die Milchstraße hoch über mir ihren gigantischen Schweif ausbreitet, dann sind das Momente, die mich stets aufs Neue tief berühren. Aller Mathematik und physikalischen Berechnungen zum Trotz.“
Der Astronomie auf der Spur
Der Sternenweg selbst ist ein 1,5 Kilometer langer astronomischer Themenweg, der im Ortsgebiet von Großmugl beginnt und zum Leeberg – einem weithin alleinstehenden, prähistorischen Grabhügel – führt. Informationstafeln bringen Besuchern die Wunder des Sternenhimmels näher, über den Verein der Kuffner-Sternwarte in Wien werden immer wieder spezielle Führungen und Beobachtungen angeboten. Um diesen besonderen Platz der Nachwelt zu erhalten, leitet Wuchterl als österreichischer Vorsitzender mit dem Verein International Dark-Sky-Association eine weltweite Kampagne, die sich die Aufklärung um – und dem „Kampf“ gegen die Lichtverschmutzung auf die Agenda geschrieben hat.
Steigende Lichtverschmutzung
Noch in den 50-er und 60-er Jahren konnte man von Wien aus die Milchstraße mit freiem Auge erkennen. Seit den 80er-Jahren ist das laut Wuchterl nicht mehr möglich. Seither ist der stetig steigende Lichtkonsum eine Bedrohung für eine klare Sicht auf das nächtliche Sternenfirmament: „Früher konnte man mit einer Kerze nicht viel anrichten, heute ist Licht universell. Es liegt daher auch an jedem einzelnen, sich dessen bewusst zu werden und die Nutzung anzupassen. Es einfach abzuschalten, wenn man es nicht braucht.“ Die Gemeinde Großmugl hat ihre Straßenbeleuchtung übrigens schon vor Jahren auf eine neue Generation von Leuchtmitteln umgestellt – natürlich sternenfreundlich, aber auch die Tierwelt profitiert von den nach unten gerichteten Leuchten mit Gelblicht.
Faszination Sterne
Die Faszination eines klaren Sternenhimmels wird nie vergehen, dessen ist er sich sicher. „Wenn die Dämmerung an einem wolkenfreien Sommerabend einsetzt, sich die Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen, der Abendstern zu leuchten beginnt, die Milchstraße hoch über den Köpfen ihren gigantischen Schweif ausbreitet, im Sommer die Perseiden alljährlich ihre Sternschnuppenvorstellung darbringen, dann sind das Momente, die stets aufs Neue tief berühren. Aller Mathematik und physikalischen Berechnungen zum Trotz.“ Um solche Augenblicke zu erhalten, dafür lohnt es sich, sich einzusetzen. Der öffentlich Diskurs ist dabei für Wuchterl essenziell: „Wenn die Dinge, die einem wichtig sind, die man liebt, verschwinden – was kann man machen, um sie zu retten? Das Wichtigste ist: Herzuzeigen, was verschwindet. Jetzt haben wir die letzte Chance, zu zeigen, was man bald nicht mehr sehen wird. Unsere Kinder und Kindeskinder und die kommenden Generationen haben auch ein Recht auf den Sternenhimmel.“
Der Sternenweg Großmugl
Der Sternenweg Großmugl wurde 2014 errichtet und ist sowohl tagsüber als auch nachts begehbar. Der Weg ist mit Tafeln ausgeschildert, die sowohl als Wegweiser dienen, aber auch zur Vermittlung von astronomischen Zusammenhängen. Ein Antrag zur Aufnahme als UNESCO Welterbe – um diesen besonderen Ort auch für die Zukunft zu schützen – wurde bereits eingereicht.
Dr. Günther Wuchterl studierte u.a. Astronomie, Physik und Mathematik an der Univ. Wien und TU Wien. Er arbeitet für die Deutsche Weltraumagentur DLR an der Thüringer Landessternwarte Tautenburg für das Weltraumteleskop CoRoT. Außerdem ist er Vorsitzender der Österreich-Sektion der International Dark Sky Association zum Schutz der nächtlichen Umwelt. Sein Hauptarbeitsgebiet ist Fluiddynamik der Stern- und Planetenentstehung.